Gender Mainstreaming im Nationalpark Eifel
Die Nationalparkverwaltung Eifel hat an einem Pilotprojekt teilgenommen, um „Gender Mainstreaming“ umzusetzen, also dafür zu sorgen, dass gesellschaftliche Rollenmuster oder geschlechtliche Unterschiede im Nationalpark keine Barrieren darstellen. Gender-Aspekte und -perspektiven sollen durch diese Strategie positiv integriert werden. Den Abschlussbericht und die erarbeiteten Leitfäden können Sie hier herunterladen.
„Veraltete Rollenmuster stellen unnötige Barrieren dar“
Ein Gespräch mit Henning Walter, ehemaliger Leiter des Nationalparkforstamtes Eifel
Herr Walter, können Sie mit wenigen Sätzen erklären, was sich hinter dem Begriff „Gender Mainstreaming“ verbirgt?
Während das englische Wort „Sex“ das biologische Geschlecht bezeichnet, steht „Gender“ für das soziale Geschlecht; also die gesellschaftlich, sozial und kulturell geprägten Geschlechterrollen. Diese Definition zeigt, dass geschlechtsspezifische Interessen und Fähigkeiten durch die Gesellschaft und die Kultur beeinflusst, gefördert oder auch eingeschränkt werden können. „Mainstreaming“ steht für die durchgängige Berücksichtigung der Wünsche und Belange von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen bei allen Vorhaben und Planungen.
Was hat Ihnen, Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vor allem Ihren Kunden das Projekt gebracht?
Zentrales Ergebnis ist ein deutlich geschärftes Bewusstsein für die Belange und Interessen der unterschiedlichen Bezugsgruppen des Nationalparks. Dies ist wichtig, um bereits im Vorfeld einschätzen zu können, wie sich unsere Vorhaben auf Frauen, Männer und andere Bevölkerungsgruppen auswirken. Gender Mainstreaming trägt damit zur Schaffung qualitativ hochwertiger und zielgruppengerechter Angebote sowie zu einer hohen Zufriedenheit der Nationalpark-Gäste bei.
Haben Sie Beispiele?
Beispielsweise haben früher bei uns Eltern angerufen und gefragt, ob auch ihre Töchter an den Wildniscamps teilnehmen dürfen, oder ob diese nur für Jungen seien. Eigentlich, so dachten wir zumindest, spricht die Beschreibung „für Kinder“ Mädchen und Jungen gleichermaßen an. Dies scheint aber nicht so zu sein. Der Hinweis, dass sich ein Angebot an Jungen und Mädchen richtet, kann da schon Abhilfe schaffen.
Interessant ist beispielsweise auch die unterschiedliche Internetnutzung von Frauen und Männern in unterschiedlichen Altersgruppen. Hier lieferte Gender Mainstreaming wichtige Anregungen, wie wir mit welchen Kommunikationsinstrumenten welche Zielgruppen erreichen. Ein letztes Beispiel: Die Zahl alleinlebender, älterer Frauen ist deutlich höher als die Zahl alleinlebender Männer. Ein Grund ist die höhere Lebenserwartung und die damit verbundene Verwitwung. Diese Gruppe zu erreichen gelingt sicher nicht mit den gleichen Angeboten und Medien wie bei einer junge Familie. Ein auf die Zielgruppe abgestimmtes Angebot sowie eine entsprechende Beschreibung und Bewerbung können hier zu höherem Interesse bei (potentiellen) Besucherinnen und Besuchern beitragen.
Müssen Frauen und Männer ihre Identität überdenken, sich gender-gerecht neu entdecken?
Im Nationalpark Eifel musste niemand seine individuelle Identität ablegen. Es wurde auch nicht darüber diskutiert, wie weiblich oder männlich eine Mitarbeiterin oder Mitarbeiter sein darf. Ziel ist vielmehr, dass wirklich alle die gleiche Chance für eine freie Entfaltung ihrer Identität, Fähigkeiten und Interessen bekommen, egal ob Frau oder Mann. Veraltete Rollenmuster stellen dabei unnötige Barrieren dar.
Mir war wichtig, dass der Gender Mainstreaming-Prozess vernünftig und maßvoll verläuft. Durch das Überdenken und die Überarbeitung unserer Angebote können wir die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen viel besser erreichen. Dies gilt nicht nur für die beiden Geschlechter, sondern auch für Jung und Alt, Menschen mit oder ohne Behinderungen, Einheimische wie Gäste aus dem Ausland.
Während Ihres Projektes haben Sie auch über zu verwendendes Bildmaterial diskutiert. Verwenden Sie in Ihrer Öffentlichkeitsarbeit künftig keine Bilder mehr von Rothirschen, oder zeigen Sie nur noch Biber-Damen?
Wir möchten mit unserer Bildsprache die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt darstellen. Dazu gehört auch, dass wir männliche und weibliche Tiere zeigen. Vielleicht hören wir dann auch seltener die Frage, ob der Hirsch das männliche Reh sei. Im Sinne der Umweltbildung kann es also tatsächlich sinnvoll sein, beide Geschlechter ausgewogen darzustellen.
Diskutiert werden auch die Auswirkungen von getrennten Angeboten für Jungen und Mädchen? Werden dadurch nicht eher stereotype Geschlechterrollen gefördert?
Diese Frage haben wir ausführlich behandelt und diskutiert. Wichtig ist hier im Vorfeld intensiv zu prüfen, ob Jungen und Mädchen unterschiedliche Interessen, Zugänge oder Herangehensweisen an ein Thema haben. Ist dies der Fall, fühlen sich Jungen oder Mädchen vielleicht viel wohler, wenn wir ein Angebot mal intensiv auf deren Interessen abstimmen. Das bedeutet nicht, dass die gesamte Veranstaltung getrennt nach Geschlechtern angeboten werden muss. Die Betreuerinnen und Betreuer sind aber ausreichend sensibilisiert, einzelne Bestandteile oder Themen in geschlechter-homogenen Gruppen zu behandeln, wenn dies Vorteile bringt. In der Regel ist es aber unser Ziel, unsere Angebote so vielfältig und attraktiv zu gestalten, dass sie für beide Geschlechter gleichermaßen interessant sind.
Hintergrundinfo
Im April 2004 haben das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (MUNLV NRW) und die Nationalparkverwaltung Eifel in Zusammenarbeit mit dem Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), Frankfurt am Main mit dem Projekt „Gender Mainstreaming im Nationalpark Eifel" begonnen. Bis September 2005 entwickelten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam Leitfäden zur Umsetzung von Gender Mainstreaming. Die Umsetzung von Gender Mainstreaming in Politik und Verwaltung ist eine rechtliche Maßgabe der Europäischen Union, der Bundesregierung und zahlreicher Bundesländer. Die Initiative im Nationalpark Eifel war ein Pilotprojekt zur Umsetzung von Gender Mainstreaming in der Landesverwaltung NRW.