02.01.2008
Infoabend zu tagvertrautem Rotwild
2. Januar 2008
Hintergrundinformationen
Regulierung von Wildtieren im Nationalpark Eifel
Laut Nationalpark-Verordnung ruht im Nationalpark Eifel die Jagd. Rothirsch, Rehe, Mufflon und Wildschweine können allerdings reguliert werden, wenn der Schutzzweck des Nationalparks, also die Erhaltung und Entwicklung naturnaher Laubwälder, gefährdet ist. Einzelheiten regelt eine kürzlich in Kraft getretene ordnungsbehördliche Verordnung. Diese unterscheidet im 10.700 Hektar großen Nationalpark zwei Bereiche. In ausgewählten Gebieten soll zur Gewährleistung störungsfreier Lebensbedingungen auch keine Jagd ausgeübt werden. Hier soll es nur im dringenden Ausnahmefall einer Wildseuche eine Regulierung der Wildtiere geben. Der Entwurf des Nationalparkplans, der noch einer Genehmigung durch das NRW-Umweltministerium bedarf, sieht hierzu eine Fläche von 2740 Hektar im Bereich des ehemaligen Truppenübungsplatzes vor. In einem ersten Schritt schließen Nationalparkverwaltung und die Bundesforstverwaltung Wahnerheide, die den ehemaligen Truppenübungsplatz betreut, derzeit eine Vereinbarung über eine knapp 1000 Hektar große Ruhezone ab.
Auf den übrigen Flächen des Nationalparks sind jagdliche Eingriffe in die oben genannten Wildtierpopulationen nur in drei Fällen möglich:
1.) Wenn die natürlichen oder naturnahen Ökosysteme im Nationalpark oder die Maßnahmen zu deren Entwicklung auf großer Fläche in einem Umfang durch Wildverbiss beeinträchtigt werden, der mit dem Schutzzweck nicht zu vereinbaren ist.
2.) Wenn Maßnahmen zur Verhütung oder Bekämpfung von Wildseuchen nach Bundesjagdgesetz erforderlich sind.
3.) Wenn im Umland des Nationalparks nicht vertretbare Wildschäden in Wäldern oder auf landwirtschaftlichen Flächen auftreten, die sich auf das Ruhen der Jagd im Nationalpark zurückführen lassen.
Die erste Ausnahme macht deutlich, dass sich die Wildregulierung im Nationalpark an der Verjüngung und natürlichen Entwicklung der Laubwälder orientiert. Wenn diese aufgrund zu hoher Wilddichten nicht möglich sind, soll der Wildbestand reguliert werden. Um die Höhe des notwendigen Abschusses ermitteln zu können, legt die Nationalparkverwaltung ein Netz aus sogenannten Weisergattern an. In diesen 100 Quadratmeter großen, eingezäunten und damit wildfreien Waldparzellen soll alle zwei Jahre der Pflanzenbewuchs bestimmt werden. Ein Abgleich mit dem Bewuchs außerhalb der Gatter, der dem Einfluss der Wildtiere unterliegt, soll zeigen, ob Eingriffe notwendig sind.
Zusätzlich werden auf Flächen mit jungen Laubbäumen per Stichprobe das Pflanzenwachstum und der Verbiss durch Wildtiere ermittelt. Weitere Kennzahlen liefern auch nächtliche Zählungen sowie die Geschlechter- und Altersstruktur der beobachteten und erlegten Tiere. Die seit 1998 durchgeführten Nachtzählungen zeigen einen stetigen Anstieg des Rotwildvorkommens.
Die Untersuchungen zeigen, dass regulierende Eingriffe derzeit erforderlich sind. Ein Verzicht hätte nach Ansicht der Nationalparkverwaltung in einigen Bereichen dramatische Auswirkungen auf den Wald. Besonders im Winter, wenn kaum andere Nahrung zu finden ist, fressen Wildtiere die Knospen junger Bäume; und verhindern so die natürliche Verjüngung und Entwicklung von Laubwäldern. Denn beliebt sind bei Reh, Mufflon und Rothirsch nicht etwa alle Baumarten gleichermaßen. Buchen und andere Laubbäume wirken weitaus attraktiver auf das Wild als Nadelbäume. Eine Überführung der im Nationalpark nicht heimischen Nadelwälder in naturnahe Laubwälder, etwa durch die Pflanzung junger Buchen, wäre daher ohne regulierende Eingriffe derzeit nicht möglich.
Die Ausübung der Jagd wird durch das Nationalparkforstamt Eifel koordiniert. Private Jäger werden gegen einen jährlichen Kostenbeitrag beteiligt. Jeder Jäger muss zusätzlich eine jährliche Schießprüfung auf eine bewegliche Zielscheibe ablegen und an einer Fortbildung zum Nationalpark Eifel teilnehmen. Die Geweihe der erlegten Tiere werden von der Verwaltung eingezogen, da sich der Abschuss ausschließlich nach naturschutzfachlichen Kriterien richten soll, eine Trophäenjagd gibt es nicht.
Wildschwein und Co. keine Rampensäue
Ziel der Nationalparkverwaltung ist es, die jagdlichen Eingriffe auf das notwendigste Maß zu reduzieren. Lange jagdfreie Zeiten sollen die Tagaktivität der Wildtiere erhöhen. Der Rothirsch als größte in Deutschland frei lebende Wildtierart soll so für Nationalpark-Besucher in freier Wildbahn erlebbar werden. Vor 2006, als der Truppenübungsplatz Vogelsang noch militärisches Sperrgebiet war, waren insbesondere in diesem Teil des heutigen Nationalparks Beobachtungen von wildlebenden Tieren keine Seltenheit. Derzeit ist aber gerade in diesem Bereich ein deutlicher Rückgang von Wildbeobachtungen festzustellen. Dies wäre in geringem Umfang sicherlich nachvollziehbar, da auch die Wildtiere erst lernen müssen, dass von den Besuchern des Nationalparks keine Gefahr ausgeht; zumindest wenn sie auf den Wegen und Hunde an der Leine bleiben. Schließlich war der Truppenübungsplatz 60 Jahre lang militärisches Sperrgebiet und damit für zivile Besucher tabu. Den derzeitigen Rückgang auf der Dreiborner Hochfläche allerdings führen die Nationalparkverwaltung und Wildtierexperten vor Allem auf eine Missachtung des Wegegebots durch einzelne Nationalpark-Besucher zurück. Derartige Verstöße sind immer wieder zu beobachten, obwohl die Nationalparkverwaltung das 50 Kilometer umfassende Wanderwegenetz auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz mit kniehohen Pfosten in Sichtentfernung markiert hat, kostenfreie Faltblätter mit dem freigegebenen Wegenetz verteilt und an sämtlichen Zugängen zum Wegenetz Infotafeln aufgestellt hat, die auch über die Ge- und Verbote zum Schutz der Natur informieren. Zusätzlich verfügt das Nationalparkforstamt über eine Nationalparkwacht aus bislang 14 Rangern, die Führungen anbieten, Besucher informieren und auf die Einhaltung der Schutzbestimmungen achten. Da der Truppenübungsplatz nur rund ein Drittel der Nationalparkfläche ausmacht und eine Präsenz der Ranger auch in den anderen Bereichen gewährleistet sein muss, plant die Nationalparkverwaltung sogar eine personelle Aufstockung der Nationalparkwacht. An mangelnder Nachfrage an den Rangertouren sollte es nicht scheitern. Allein im Jahr 2006 nahmen über 11.000 Personen an den Rangerführungen, insgesamt sogar 33.000 Personen an den Bildungs- und Naturerlebnisangeboten des Nationalparks teil. Darüber hinaus ist abzusehen, dass die Bezirksregierung Köln aufgrund möglicher Kampfmittel abseits des markierten Wegenetzes für das ehemalige militärische Übungsgebiet eine Gefahrenabwehrverordnung erlassen wird. Damit könnten Verbote wie das Verlassen der freigegebenen Wege besser geahndet werden. „In erster Linie versuchen wir an die Vernunft der Besucherinnen und Besucher zu appellieren. Denn nur wenn sich alle Besucher an die Schutzbestimmungen des Nationalparks halten und die Wildtiere große ruhige Lebensräume haben, sind auch künftig noch spannende Tierbeobachtungen möglich. Wildschwein und Co. sind nun mal keine Rampensäue. Eine Ahndung von Verstößen im Nachhinein bringt den Wildtieren nur wenig; die Besucher müssen verstehen, dass eine Beachtung der Schutzbestimmungen auch ein Plus an individuellem Naturerlebnis bedeutet. Wenn allerdings absehbar ist, dass einzelne Nationalpark-Besucher einfach kein Verständnis für die Natur zeigen wollen, dann müssen wir in diesen Fällen wohl doch Bußgelder verhängen", so Henning Walter, Leiter des Nationalparkforstamtes Eifel. In anderen Bereichen des Nationalparks, insbesondere in den bewaldeten Gebieten, hat Walter bereits eine Zunahme der Tagvertrautheit des Wildes beobachtet: „Die dicht bewaldeten Gebiete verleiten die Besucher nicht so sehr dazu, die Wege zu verlassen. Bei den vielen Panoramablicken auf der Dreiborner Hochfläche ruft das Teufelchen auf der Schulter einfach lauter, dass es doch nicht schaden könne, wenn man nur bis zur nächsten Kuppe geht. Dies aber ist ein fataler Irrtum mit dramatischen Folgen für Natur und Mensch. Und wenn es gar nicht anders geht, künftig auch für das Portemonnaie."